Sulawesi 3 - Toraja

Unsere Zeit in Toraja begann etwas kompliziert. Torajaland ist eine Bergregion Sulawesis, die nach der dort heimischen Bevölkerungsgruppe benannt ist, den Toraja. Der Name leitet sich vom portugiesischen Torro ab und deutet auf die besondere Rolle hin, die Büffel hier spielen.  Obwohl der große Teil der Toraja sich als Christen versteht, sind sie insbesondere für ihre einzigartigen religiösen Bräuche,  insbesondere ihre Totenkulte bekannt.

 

Wir hatten es also im Laufe des Nachmittags auf beängstigend schmalen Straßen in die Berge hinauf geschafft und waren alle bereit in unsere Betten zu fallen – nur leider gab es davon nicht gerade viele. Unsere Reiseroute sowie die Übernachtungsmöglichkeiten waren von der Regionalregierung vorgeschlagen worden und unser Lehrer hatte sie lediglich abgenickt. Bisher hatte das bestens geklappt. Der Komfort hatte nicht jedermanns Standard entsprochen aber es waren immer genügend Zimmer für uns bereit gewesen. Aus irgendwelchen Gründen hatte jedoch irgendwer entschieden, dass es für diese Nacht ausreichen sollte ca. 25 Menschen in vier Doppelzimmern unterzubringen. Dazu wurden einfach Decken auf den Boden gelegt; unsere Lehrer waren nicht begeistert.

 

Und so warteten wir im Freien (wobei betont werden muss das die Bergluft mit ihren etwa knapp 25° dank unserer Akklimatisierung als Pulloverwetter eingestuft wurde)während unser Lehrer versuchte um 23 Uhr mal eben 10 Schlafzimmer zu organisieren. Beeindruckender Weise war er tatsächlich erfolgreich und so fielen wir etwas  später und einige Kilometer entfernt doch noch in unsere Bette. Gefrühstückt haben wir am nächsten Morgen übrigens im alten Hotel – bezahlt ist schließlich bezahlt. 

 

Nach einem kurzen Abstecher zu einer sehr großen Jesusstatue fuhren wir zum Torajaäquivalent eines Friedhofs. Da die Totenkulte hier sehr vielfältig sind, ist es schwer allgemeingültige Aussagen zu machen. Generell ist es aber so, dass tote Vorfahren eine zentrale Rolle im Leben der Toraja spielen, und das nicht nur als Geister.  An vielen Orten, werden die Körper regelmäßig aus den Gräbern geholt und neu eingekleidet. In unserem Fall besuchten wir eine  Höhle, in der die Särge für die restliche Zeit gut zugänglich (und gestapelt) gelagert werden. Einige Särge waren offen und es lagen viele menschliche Schädel auf Felsvorsprüngen, andere Särge schienen neu und trugen offenbar noch den Blumenschmuck der Beerdigung. Auf einer Empore vor der Höhle saßen zudem die wichtigsten dort beerdigten Toten als lebensgroße und –echt Puppen. Insgesamt eine wirklich ungewohnte Atmosphäre. Unsere  hinduistischen, balinesischen Begleiter verzichteten vorsichtshalber lieber direkt darauf, die Höhle zu betreten.

 

Danach hatten wir die einmalige Gelegenheit eine Beerdigung mitzuerleben. Da das hier weder ein Anlass zur Traue noch eine sehr private Angelegenheit ist, kann man dies ohne Probleme tun.  Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass Torajabeerdigungen sehr teuer sind, schließlich müssen  dabei signifikante Anzahlen an Büffeln geopfert werden, von denen jeder den Preis eines Autos hat. Daher werden oft auch mehrere Beerdigungen zusammen abgehalten und denoch vegehen in der Regel mehrere Jahre bis ein Toter beerdigt wird. Bis dahin gilt er für die Toraja übrigens nicht als tot sondern lediglich als krank. Die Beerdigung selbst war ein wirklich großes und beeindruckendes Fest voll freundlicher Leute, die uns lecker bewirteten und die Vorgänge erklärten. Da die Feier recht lange andauert, mussten wir leider zwischendrin gehen. Der Vorteil daran war jedoch sicherlich, dass wir den großen Teil der Opferungen verpassten.

 

Unser letzter Stopp war dann ein Torajadorf, das heute als Freilichtmuseum dient. Unser Fremdenführer erklärte uns die Bauweise sowie einiges über die religiösen Ursprünge der Toraja. Es folgte noch ein kurzer Zwischenhalt  auf dem Markt der nächsten Stadt.

 

Danach begann die Fahrt zum Flughafen, die die ganze Nacht dauerte. Ziemlich müde kamen wir in der Morgendämmerung an. Unsere Erschöpfung war jedoch nicht im Geringsten mit der der beiden Fahrer unserer zwei Busse zu vergleichen, die die gleichen kurzen Nächte hatten wie wir und ohne Ablösung die enormen Strecken fahren mussten.

 

Am Flughafen kam es noch zu einem kurzen Schockmoment als ein Vertreter der Sicherheitsbehörden unsere Fotos auf seinem Handy hatte aber kein Englisch sprach, sodass wir einige Mühe hatten, die Situation zu verstehen. Letztendlich sollte er uns aber nur im Namen der Regierung verabschieden.

 

 

 

Fazit

 

Die Reise als Urlaub zu bezeichnen wird wohl weder meinen Gefühlen noch denen meiner Mitreisenden gerecht. Zu viele Momente waren zu  emotional komplex,  zu herausfordernd und zu erschöpfend. Obwohl doch recht viel für uns geplant worden war, fühlte es sich wohl mehr wie ein Abenteuer an. Ich fühle mich sehr privilegiert, diese Region Sulawesis bereist haben zu können. Das war bisher nicht vielen Menschen möglich und sollte sich das nun ändern, wird sich dadurch auch die Region ändern.  Sie so zu sehen, wie sie jetzt ist, war somit wirklich besonders.

 

Kritischer stehe ich dem offiziellen Anstrich der Reise sowie den damit einhergehenden Tourismusentwicklungen in der Region gegenüber. Hätte ich davon vorher schon gewusst, hätte ich wahrscheinlich nicht teilgenommen und auch wenn ich all die Erfahrungen nicht missen will, wünschte ich doch, man hätte mir eine Wahl gelassen.

 

Sehr viel gelernt habe ich jedoch definitiv sowohl über mich als auch über meine Mitreisenden. Wir befanden uns eine Woche lang fast durchgehend in einem emotionalen Ausnamezustand, der  durch Schlafmangel und Gruppendynamiken noch verstärkt wurde.  Dabei traten recht schnell bestimmte Charakterzüge deutlicher hervor. Auch die Interaktion in der Gruppe war schnell von extremen geprägt, wobei dies fast ausschließlich ins Positive tendierte. Was mich betrifft, kann ich wohl sagen, dass ich sehr viel über mich gelernt habe und das in einzigartig kurzer Zeit. Gleichzeitig merke ich, wie ich diese Erfahrung immer noch verarbeite und habe das Gefühl, das wird sich auch noch eine ganze Weile nicht ändern.