Sulawesi 2 – Luwu Timur

Der nächste Tag begann mit einer Floßfahrt. Es war da erste Mal, dass ich ein Floß betrat aber ich muss sagen, jederzeit wieder. Das kann sicherlich auch damit zu tun haben, dass das Floß mit dem wir unterwegs waren sonst kein Spielzeug für Touristen ist, sondern ein ernstzunehmendes Fortbewegungsmittel. Es verbindet die Dörfer rund um den See Matano miteinander, befördert Menschen, Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs. Da zu den meisten Dörfern keine Straßen führen sind Boote und Flöße tatsächlich das Fahrzeug der Wahl. Entsprechend groß und komfortabel war auch unser Floß und dank eines Motors auch ziemlich schnell.

 

Zunächst besuchten wir ein Dorf auf der anderen Seeseite, wo wir tatsächlich mit Blumenketten und Musik empfangen wurden. Die Musik wurde von einem Bambusorchester gespielt, also einem Bläserorchester, dessen sämtliche Instrumente aus Bambus gefertigt waren und eine faszinierende Vielfalt an Formen und Tönen zu bieten hatten. Wir wurden durch das Dorf geführt und konnten dort Mittagessen. Zudem konnten wir ein Steinbecken besichtigen, das offenbar die Quelle des ganzen Sees ist. Das Wasser im Becken gilt als heilig (offenbar auch, weil vom Boden Luftblasen aufsteigen, wenn man bestimmte Worte sagt). Wir durften davon Trinken und uns das Gesicht  damit waschen, was uns Gesundheit und Glück für die Zukunft bringen soll.

 

Auf dem Rückweg legten wir dann noch zwei Stopps zum Schwimmen ein – deswegen wurden wir auch die ganze Zeit von einem Schlauchboot mit Rettungsschwimmern begleitet, ein Luxus, der im Alltag des Floßtransportes wohl eher nicht der Fall ist.

 

Zurück am anderen Ufer machten wir uns auf den Weg zu einer Schule. Dort empfing uns der Rektor, der uns erklärte, er wolle seinen Schülern gerne zeigen, dass die Welt größer ist, als die Region, in der sie aufwachsen und dass es sich lohnen kann, mehr davon zu sehen. Zu diesem Zweck übernahmen wir immer zu zweit eine Unterrichtsstunde, in der wir mit den Kindern im Alter von 13-15 Jahren spielen und lernen sollten. Wir nutzen die Stunde jedoch vor allem dazu, uns mit ihnen zu unterhalten und sie Fragen stellen zu lassen. Dass sie dazu englisch reden mussten, war natürlich ein nützlicher Nebeneffekt. Wir alle hatten sehr viel Spaß mit den Schülern, die wirklich interessiert schienen (vielleicht waren sie auch nur froh über die Abwechslung zum normalen Unterricht). Als wir leider recht schnell zurück in den Bus stiegen, hatten alle ein breites Grinsen im Gesicht und die Stimmung war die bisher auf dieser Reise wohl beste.

 

Als nächstes besuchten wir eine lokale Kaffeerösterei wo ich den ersten Kaffee meines Lebens getrunken habe, den ich nicht fürchterlich fand. Außerdem gab es Zimtschnecken!

 

Abendessen gab es wieder in einem Dorf. Doch dieser Abend war der erste, an dem ich mich von der Aufmerksamkeit, die wir auf uns zogen – und die die ganze Zeit schon unangenehm war – wirklich überfordert fühlte. Wir aßen auf einem Dorfplatz. Der Essbereich wurde mit Seilen abgesperrt, offenbar, damit wir in Ruhe essen konnten. Letztendlich war die Situation aber wirklich seltsam und so versuchten wir so schnell wie möglich zu essen um dann auf die andere Seite der Seile gehen zu können, von wo insbesondere von den Kindern beobachtet wurde. Augenscheinlich hatte man für uns eine Art kleines Fest organisiert. Es spielte eine Liveband und an mehreren Ständen wurden Kleidung und Getränke verkauft. Der Abend war zum Teil wirklich schön, insbesondere da die Kinder des Ortes neugierig waren und sich schnell auf Spiele mit uns einließen. Andererseits entstand aber kein echter Kontakt zwischen uns und den Einwohnern des Ortes. Stattdessen war es eher ein Abend voll steifen Nebeneinanderstehens.

 

Leider haben einige der Studierenden aus meiner Gruppe den Abend wohl etwas anders wahrgenommen als ich. Ich verstehe durchaus, dass die eigenartige Situation und die ungewohnte Aufmerksamkeit von einigen sicher als angenehmer empfunden wurden, als ich das tat. Nach meinem Empfinden war es dennoch unnötig deswegen die Bühne mit nur halb erinnerten Liedtexten zu übernehmen und Kinder wie Accessoires den ganzen Abend auf dem Auf dem Arm herum zu tragen.

 

Insgesamt gingen wir an diesem Abend jedoch mit einem guten Gefühl schlafen.

 

Der nächste Tag war bereits unser letzter in der Region Luwu Timur. Morgens besuchten wir einen Wasserfall, der offenbar zu einem der Tourismushighlights der Region ausgebaut werden soll. Das Besondere daran ist, dass er sich über mehrere Terrassen ergießt, sodass man darin sowohl klettern als auch baden kann. Während wir dort waren, probierten die Menschen des Ortes neue Klettergurte aus, mit welchen die Sicherheit der Touristen bei der Kletterei gewährleistet werden soll, die die Menschen hier regelmäßig freihändig machen.

 

Zum Mittagessen fuhren wir danach in ein anderes Dorf und dann geriet der Ausflug außer Kontrolle. Offenbar hatte unsere Reise einiges Aufsehen erregt. Schon auf der bisherigen Reise waren wir regelmäßig um Fotos gebeten worden, Leute wollten mit uns reden oder uns berühren. Ich würde vermuten, das ist eine normale Reaktion, wenn man Menschen einer bestimmten Ethnizität noch nie  zuvor gesehen hat. Jedoch hatten offenbar Menschen aus dem Dorf, das wir nun besuchten dies zuvor über soziale Netzwerke verbreitet. Offenbar waren wir wirklich interessant genug, dass Menschen daraufhin in das Dorf fuhren, um uns zu sehen, sodass bei unserer Ankunft sicherlich an die tausend  Menschen versammelt  waren, deren Hauptziel es schien, Selfies mit uns zu machen.

 

Da viele Menschen diesen Wunsch auch recht vehement durchsetzten, wurde aus dieser Mittagspause eine der absurdesten Begebenheiten meines bisherigen Lebens. An Essen war kaum zu denken. Wir alle schlangen nur schnell ein paar Bissen herunter, bevor wir wieder von der Menge in Beschlag genommen wurden. Neben der an sich recht unangenehmen Situation, der Fokus einer großen Menschenmenge zu sein, waren die vielen fremden Hände, die sich wirklich überall auf meinem Körper befanden (inklusive in meiner Nase) eine sehr negative Erfahrung. Und schließlich hätte ich auf das Erlebnis verzichten können, mich nicht mehr alleine fortbewegen zu  können. Wir waren tatsächlich so eng von Menschen umrundet, dass die Organisatoren als Bodyguards fungieren und uns den Weg frei machen mussten, wenn wir uns bewegen wollten. Um uns eine Atempause zu verschaffen, wurden wir in Fischerbooten aufs Wasser hinaus gefahren, doch leider fiel bei unserem Boot auf dem Wasser der Motor aus. Zu diesem Zeitpunkt klang unser Lachen tatsächlich leicht hysterisch. Weitere eindrückliche Momente waren: Die Erkenntnis auf  den Hinweis eines Kommilitonen hin wie eigentümlich verletzend es ist, dass die Menschen nur Fotos mit uns machen wollen, aber ein kein Interesse an einem echten Kennenlernen zu haben scheinen, uns nicht einmal begrüßen oder in die Augen sehen, bevor sie das Handy zücken. Und der Blick, den mir einer unserer balinesischen Begleiter im Vorbeigehen zuwarf  - ich weiß nicht, ob mich schon einmal jemand so mitleidig angesehen hat. Als wir wieder alle im Bus saßen, waren zwei Stunden vergangen und wir allesamt vollständig erschöpft. Bis zu fuhren wir dann mit dem Bus, da wir Luwu Timur verließen und uns auf den Weg nach Toraja machten. Die engen Serpentinen in die Berge hinauf sorgten dabei für einiges Geflatter in unseren Mägen, aber wir konnten uns auf einen geübten und immer lächelnden Fahrer verlassen.