Über die beste Zeit meines Lebens…

Indonesien muss der Höhepunkt meines Lebens sein. Das zumindest ist das Gefühl, das ich hier vermittelt bekomme. Von Seiten meiner Austauschorganisation wurde mir jedenfalls eben dies bereits erklärt. Ebenso wurde mir zu der besten Entscheidung meines Lebens (dieses Semester in Indonesien) gratuliert und mir –  für den Fall, dass ich es nicht selber bemerke – erklärt, ich studiere fortan im Paradies (Bali).

 

Und versteht mich nicht falsch, ich möchte nicht undankbar sein. Bali ist beeindruckend, berauschend, fremd, faszinierend und so vieles mehr. Ich fühle mich sehr wohl und bin gespannt auf alles, was ich noch über diese wunderwolle Insel lernen werde. Aber das Paradies ist sie sicher nicht.

 

Zumindest in meiner Definition, die das Paradies nicht auf tropischen Sonnenschein, Sandstrände und bunte Blumen reduziert. Diese Definition von Paradies sollte eigentlich spätestens mit Paul Gauguins Zeitalter und der damals vorherrschenden Südseeromantik zu Ende gegangen sein. Denn schließlich ist seitdem auch noch einiges passiert – wobei das durch die Kolonialherrschaft wohl auch schon damals ein begründeter Einwand hätte sein können.

 

Ich bin mir sicher, man kann ein halbes Jahr auf Bali leben und vor allem Strände, Surfen und Partys erleben. Aber ich glaube doch, dass es schwer fallen sollte, dieses Bild völlig ohne Kratzer mit zurück zu nehmen.

 

Denn Indonesien ist auch ein Land, das noch immer mit den (Spät)Folgen von Kolonialismus und Imperialismus kämpfen muss. Und Bali ist eine Insel, die es durch die Diskrepanz von Tourismus und Agrarwirtschaft auch eine der extremsten absoluten Armutsraten mit einem der höchsten Immobilienpreise der Welt zu vereinen. Es ist eine Welt in der immer mehr Reisfelder immer neuen Hotelkomplexen weichen müssen, und die Touristen sich über die absurd billigen Mahlzeiten freuen, während die Einheimischen eben diese kaum noch bezahlen können. Es ist ein Platz mit einer einzigartigen Kultur und Religion, die die Menschen in ihren neuen stressigen Alltag zu integrieren suchen ohne sie dabei zur inhaltslosen touristischen Farce verkommen zu lassen – und dabei vielerorts scheitern.

 

All das sind Aspekte, die auch zu Bali gehören und meiner Meinung nach, schulde ich es all den wunderbaren Menschen, die ich hier kennen lerne und dich mir das Gefühl geben, hier wirklich willkommen zu sein, eben diese Seite der Medaille auch zu sehen.

 

Doch auch unabhängig von der komplexen Erfahrung, die Bali für mich ist, finde ich die Vorstellung, dieses halbe Jahr sei die beste Zeit meines Lebens, eher bedrohlich denn erfreulich. Zwar  hoffe ich, wie alle anderen wohl auch, hier eine wirklich wunderbare Zeit zu erleben, doch bitte ich doch darum, dass es nicht die beste meines Lebens wird. Denn das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass alle anderen schlechter sein müssen. Das wäre zum einen eine Herabwürdigung all der schönen Zeiten, die ich bereits erlebt habe und an die ich mich gerne zurück erinnere. Einige davon habe ich sicherlich bei meinen anderen Auslandsaufenthalten erlebt (so wie auch hier solche Momente dazukommen werden) aber andere eben auch Zuhause, mit Freunden oder meiner Familie. Und diese Momente sind mir eben genauso wichtig und wertvoll und ich bin froh darüber.

 

Zum anderen finde ich die daraus folgende Annahme für meine Zukunft ganz schön düster. Ich möchte weiterhin schöne Zeiten erleben. Ich habe so viele Pläne, Wünsche und Hoffnungen. Ich habe sowohl privat wie auch beruflich noch so viel vor und einiges davon hat das Potenzial genauso wichtig und prägend zu werden, wie meine Zeit hier, vielleicht sogar noch mehr.

 

Daher wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass dies nicht die schönste Zeit meines Lebens sei. Und tatsächlich glaube ich auch, dass dieses angestrengte Pochen darauf, dass dem so ist, zumindest meiner Erfahrung in dieser Hinsicht nicht gerade zuträglich ist. Die Aussage, die dadurch bei mir ankommt klingt mehr nach: ‚Los! Amüsiere dich jetzt. Aber zackig.‘ Und darauf wäre meine Antwort dann eher: ‚Ich bin aber für so viel mehr hier her gekommen. Ich möchte mich auch erschrecken, faszinieren, abstoßen, weiterbilden,herausfordern,…‘